Was Sie über Softwarelokalisierung wissen sollten

Softwareunternehmen mit internationaler Präsenz müssen sicher­stellen, dass ihre Pro­dukte Be­nutzern in Märkten mit anderen Sprachen ein gutes Benutzungs­erlebnis bieten. Die Software muss an die jeweiligen kulturellen, sprach­lichen und sozialen An­forderungen der Ziel­gruppen und -regionen an­gepasst werden.

Einfach gesagt: Wollen Sie viele neue Be­nutzer gewinnen, können Sie es sich nicht leisten, einen großen Teil Ihrer digitalen Ziel­gruppe zu vergraulen, indem Sie sprach­liche Unter­schiede und besondere Er­wartungen an das Benutzungs­erlebnis ignorieren.

Die Lokalisierung von Software bringt aller­dings ganz be­sondere Heraus­forderungen für Software-Releases mit sich. Zum Glück lässt sich der Lokalisierungs­prozess so ge­stalten, dass Markt­einführungs­termine minimiert, die Kosten optimiert und eine team­übergreifende Zu­sammenarbeit ge­währleistet wird. Möglich ist dies mit den richtigen Tools.

Doch immer der Reihe nach: Wir beginnen mit den Grundlagen.

Was ist Softwarelokalisierung

Softwarelokalisierung ist der Prozess der Über­setzung von sprach­lichen Elementen einer Software in ver­schiedene Sprachen, wobei mit Blick auf Benutzer in aller Welt kulturelle Be­sonderheiten zu be­rücksichtigen und not­wendige technische und juristische An­passungen vor­zunehmen sind.

Es geht also um mehr als nur um die Über­setzung von Texten. Auch kulturelle und länder­spezifische Aspekte der Ziel­sprache müssen be­achtet werden, etwa orthografische und lexikalische Eigen­heiten, das richtige Datums- und Uhrzeit­format, Währungs­unterschiede und kulturell sensible Grafiken, um nur einige Beispiele zu nennen.

Dementsprechend ist die Software­lokalisierung ein recht lang­wieriger und kom­plexer Prozess, bei dem nicht einfach bloß das Wort „Willkommen“ in 150 Sprachen übersetzt wird.

Übrigens gibt es deutliche Unter­schiede zwischen Software­lokalisierung und Internationalisierung, obwohl sich beide Pro­zesse gegen­seitig ergänzen. Die Inter­nationalisierung sollte der Software­lokalisierung jedoch immer vorausgehen.

Wirtschaftlicher Nutzen

Bestimmt haben Sie schon einmal von Revolut gehört, einem britischen Unternehmen aus dem Bereich der Finanz­technologie. Revolut ist es gelungen, in nur fünf Jahren einen welt­weiten Benutzer­stamm von über 8 Millionen Anwendern aufzubauen und seine App in über 30 Sprachen bereit­zustellen. Es begann mit einem kleinen Start-up, das sein Produkt jedoch rasch für ver­schiedene Länder und Ziel­gruppen lokalisierte und damit seine globale Präsenz er­weiterte. Dies er­möglichte es Revolut, sich einen relevanten Wett­bewerbs­vorteil zu ver­schaffen, ver­schiedene Alters­gruppen zu er­reichen und seinen Marktanteil zu erhöhen.

Herausforderungen für Entwickler bei der Lokalisierung

Wenn Sie als Entwickler in den Prozess der Software­lokalisierung ein­gebunden sind, werden Sie sich wahr­scheinlich mit ver­schiedenen Heraus­forderungen konfrontiert sehen. Oft stoßen Entwickler auf Schwierigkeiten wie diese:

  • Synchronisieren mehrerer Translation-Management-Systeme (TMS) und des Code Repository
  • korrektes Herunterladen der Übersetzungs­dateien (im richtigen Format und mit der richtigen Struktur) und Überwachung von Änderungen
  • Erkennen doppelter Übersetzungen
  • effektiver Umgang mit Pluralschlüsseln und Platzhaltern
  • parallele Bearbeitung unter­schiedlicher Features durch die Übersetzungsteams
  • Bereitstellen von Kontext für die Übersetzer
  • Übersetzungsvorschau in der Designphase

Die gute Nachricht: Es gibt Tools und Prozesse, mit denen sich all diese Heraus­forderungen in den Griff bekommen lassen. Sehen wir uns als Nächstes die gängigsten Workflows bei der Software­lokalisierung an.

Workflows für Software­lokalisierung

Auch wenn es einfach erscheint, kann die Lösung von Lokalisierungs­problemen große Heraus­forderungen mit sich bringen und erfordert daher die Expertise von Lokalisierungs­experten. Im Ideal­fall sollte das Entwicklungs­team den vorangehenden Inter­nationalisierungs­prozess über­wachen und jederzeit bereit­stehen, um Unter­stützung zu leisten. Mittlerweile sind die Software­lokalisierungs-Workflows weit voran­geschritten, vom klassischen Wasserfall­modell bis zur kontinuierlichen Lokalisierung.

Lokalisierung nach dem Wasserfallmodell

Traditionelle Lokalisierungs-Workflows folgen meist dem Wasserfallmodell, das aus aufeinanderfolgenden Phasen oder Schritten besteht. Demnach muss immer erst eine Phase abgeschlossen sein, bevor die nächste anlaufen kann. Die Lokalisierung beginnt daher in diesem Szenario erst nach der Fertig­stellung des Codes und der Freigabe des Produkts. Die von Über­setzern und Lokalisierungs­experten übersetzten Softwaretext-Abschnitte, Strings genannt, werden dann zurück an das Entwickler­team geleitet. Dieses übernimmt dann manuell die Übersetzungen und pflegt sie in die Software ein.

Agile Lokalisierung

Bei der agilen Lokalisierung arbeiten die Entwicklungs- und Lokalisierungs­teams parallel. Die Lokalisierung und Über­setzung der Strings erfolgt in so­genannten Sprints. Da die Über­setzungen in kleinen Chargen aus­geführt wird, können potenzielle Probleme früher und schneller behoben werden. Wie sieht dies nun in der Realität aus, wenn dazu das richtige Tool zum Einsatz kommt.

Zunächst lädt ein Entwickler neuen Code in die Projekt­datenbank. Die Lokalisierungs­software erkennt auto­matisch neue oder geänderte Strings und be­nachrichtigt das Übersetzungs­team. Dieses bearbeitet die Texte, die an­schließend vom Team für die linguistische Qualitäts­sicherung geprüft werden. Die fertigen Übersetzungen gehen zurück an das Entwickler­team. Alle diese Schritte sind so aufeinander ab­gestimmt, dass die Über­setzungen recht­zeitig zum Release der Software bereit­stehen. Da diese kleinen Übersetzungs­schritte rasch aufeinander­folgen, nennt man sie auch treffender­weise „Sprints“.

Kontinuierliche Lokalisierung

Auch bei der kontinuierlichen Lokalisierung laufen Entwicklungs- und Lokalisierungs­prozesse simultan ab. Doch während beim agilen Modell mit einzelnen Sprints gearbeitet wird, gibt es bei der kontinuierlichen Lokalisierung gewisser­maßen nur einen durch­gehenden Sprint. Dies bedeutet, dass die Anbieter von Lokalisierungs­services den Content bearbeiten, sobald er von den Software­entwicklungs­teams bereit­gestellt wird. Jedes Team hat dabei immer im Blick, woran das andere Team gerade arbeitet.

Der subtile Unterschied zwischen agiler und kontinuierlicher Lokalisierung lässt sich so be­schreiben: Bei der kontinuierlichen Lokalisierung steht der Content immer zur Freigabe bereit, bei der agilen Lokalisierung muss hingegen erst das Ende des Sprints abgewartet werden.

Durch den kontinuierlichen Ansatz verkürzt sich in der Regel die Durch­lauf­zeit der Über­setzung. Die Lokalisierung wirkt sich dabei nicht auf den Entwicklungs­prozess aus. Dies ermöglicht schnellere Freigaben, die sogar mehrmals am Tag statt­finden können. So kann das Produkt schneller und ohne Verzögerungen an die Benutzer geliefert werden.

Angesichts dieser Vorteile setzt sich die kontinuierliche Lokalisierung all­mählich als bevorzugter Workflow durch.

Das richtige Lokalisierungstool für Ihren Softwareentwicklungs-Workflow

Viele Unternehmen verlassen sich für die Softwarelokalisierung immer noch auf Tabellen­kalkulations­programme, obwohl der Umstieg auf ein TMS die Produktivität um 75 % erhöhen kann.

Eine gute Möglichkeit, den Software­lokalisierungs­prozess zu optimieren, besteht darin, Team­mitglieder mit den richtigen Tools funktions­übergreifend zusammen­arbeiten zu lassen. Tabellen in Tabellen­kalkulations­programmen sind zwar nützlich für numerische Darstellungen und Datenanalysen, aber für die Ver­waltung von Über­setzungen sind sie weniger gut geeignet.

Hat man das Lokalisierungsteam erst einmal in das Entwicklungs­team integriert, steht einer kontinuierlichen Lokalisierung mit all ihren Vorteilen nichts mehr im Wege.

Falls Sie für die Lokalisierungs­software verschiedene Optionen erwägen, haben wir hier einige Entscheidungs­hilfen für Sie:

  • Suchen Sie nach Lösungen, mit denen Sie möglichst viel automatisieren können. Mit Funktionen zur Automatisierung des Workflows können Sie Leer­lauf­zeiten minimieren und zugleich die Markt­einführungs­zeit verkürzen.
  • Ermitteln Sie die Anforderungen der Entwickler. Ideal ist eine Lösung, die Code-Repository-Integrationen bietet, Funktionen zur Unterstützung komplexer Lieferketten umfasst (z. B. Webhooks oder APIs) und einen an­gemessenen Umgang mit Key-Referenzen, Platzhaltern usw. ermöglicht.
  • Wählen Sie eine Lösung, die die Zusammen­arbeit fördert. Überlegen Sie sich, welche verschiedenen Rollen im Lokalisierungs­prozess zusammen­wirken und wie die potenzielle Lokalisierungs­software die An­forderungen dieser Rollen erfüllen kann.
  • Berücksichtigen Sie die Speicher­qualität. Software­entwickler bevorzugen in der Regel eine sichere, cloud­basierte Lokalisierungs­software.
  • Scheuen Sie sich nicht, Fragen zu stellen. Der potenzielle Anbieter sollte eigens ab­gestellte Produkt­experten haben, die Ihnen Best Practices für Ihren Workflow empfehlen können.

Die Lokalisierungs­software sollte alle Übersetzungs­aspekte in einem zentralen Tool zusammen­führen und eine effiziente Kommunikation ohne zeit­raubendes Hin und Her ermöglichen. Sämtliche Stakeholder – UX-Designer, Software­entwickler, Übersetzer, Sprach­dienstleister usw. – müssen nahtlos zusammen­arbeiten können. Dies verhindert unnötige Ver­zögerungen und sorgt für fehler­freie Über­setzungen mit kurzer Durchlaufzeit.

Wichtige Tipps zur Softwarelokalisierung

Vielleicht kennen Sie dieses Sprichwort: Eine Kette ist immer nur so stark wie das schwächste Glied. Die Lokalisierungs­software ist zwar ein nützliches Hilfsmittel, doch damit die Kette nicht reißt, müssen auch alle anderen Glieder der Prozess­kette entsprechend robust sein. Sobald die Entwickler die Inter­nationalisierung ab­geschlossen haben, geht es mit den nächsten Schritten weiter – nun erst folgt die eigentliche Lokalisierung.

Dabei sollten Sie folgende Ratschläge beherzigen:

  • Richten Sie den Lokalisierungs­prozess so ein, dass er schon in der Designphase beginnt. Mit den richtigen Integrationen kann dieser voraus­schauende Ansatz die Markt­einführungs­zeit signifikant verkürzen.
  • Passen Sie Bilder, Grafiken und Emojis an unter­schiedliche Kulturen an. Das verwendete Bild­material darf in der Zielkultur nicht un­angenehm auffallen.
  • Streben Sie nach Präzision. Je mehr Sie auf die sprachlichen und kulturellen Er­wartungen der Ziel­gruppen eingehen, desto besser wird Ihr Software­produkt ankommen.
  • Verwenden Sie einen Styleguide. Eine Marken­botschaft in mehreren Sprachen und Märkten ein­heitlich zu ver­mitteln, ist gar nicht so einfach. Es wird aber viel einfacher, wenn Sie gewünschte Formulierungen, Informationen zur Zielgruppe, marken­spezifische Richtlinien usw. in einem Styleguide festhalten.

Fazit

Die Einbindung eines neuen Lokalisierungs­tools in Ihren etablierten Workflow zur Software­entwicklung kann mit einigen Heraus­forderungen einhergehen. Möglicher­weise braucht es dafür ein gewisses Maß an Änderungs­management – je nachdem, wie aus­gereift der Lokalisierungs­prozess Ihres Unter­nehmens ist. Von Vor­teil ist es, wenn das ge­samte Team an einem Strang zieht, doch dazu müssen Sie allen Be­teiligten die Vorzüge der geplanten Änderungen nahebringen.

Ganz wichtig ist in jedem Fall, dass die gewählte Lokalisierungs­software zu Ihren vor­handenen Prozessen passt oder Ihnen die Ein­führung neuer Prozesse erleichtert. Die Software sollte die Kommunikation bündeln, die gesamte lokalisierungs­bezogene Arbeits­last für die Ent­wickler rationalisieren, den Entwicklungs­zyklus bis zur Freigabe beschleunigen und kürzere Liefer­fristen für Über­setzungen ermöglichen. Sind alle diese Bedingungen erfüllt, haben Sie die Weichen für maximalen Lokalisierungs­erfolg gestellt.

 

Wir bedanken uns bei Alex Pereverzevs, Product Lead bei Lokalise, für diesen Beitrag. Der passionierte Technikfan ist bei Lokalise als „Produktguru“ tätig und hilft Kunden dabei, ihre Lokalisierungs-Workflows zu verbessern. In seiner Freizeit reist er gern, außerdem spielt er Fußball und Basketball.

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