Während sich die Lokalisierungsbranche an globale Herausforderungen und Veränderungen durch die COVID-19-Pandemie anpasst, schreitet die Entwicklung spannender neuer Technologien voran und auch wichtige Forschung wird weiterhin betrieben. Im Folgenden geben wir Ihnen einen kurzen Überblick über wichtige aktuelle Entwicklungen.
Amazon DeepSubQE: Aufbau einer Qualitätsschätzung für Untertitel
Zwei Forscher von Amazon Prime Video haben ein neues System zur Einschätzung der Qualität maschinell übersetzter Untertitel entwickelt und analysiert. Die Untersuchung mit dem Titel „DeepSubQE: Quality estimation for subtitle translations“ wurde am 22. April 2020 veröffentlicht. Untersuchungsgegenstand waren Methoden zur Verbesserung der linguistischen Qualität mittels Qualitätseinschätzung. Die Übersetzungsqualität zu steigern, um internationale Zuschauer zu begeistern, ist ein wesentlicher Bestandteil der Wachstumsmodelle von führenden Streamingdiensten wie Amazon Prime und Netflix. Die Forscher übersetzten etwa 30.000 Videountertitel-Dateien aus dem Englischen ins Französische, Deutsche, Italienische, Portugiesische und Spanische.
Die Qualitätseinschätzung, laut Definition eine „Machine-Learning-Technologie, die der MT-Ausgabe automatisch eine Qualitäts- oder Risikoschätzung zuweist, ohne dabei auf manuelle Vergleichsübersetzungen zurückzugreifen“, zeigt Herausforderungen in der Übersetzung auf. Vorrangig haben diese ihren Ursprung in der Tatsache, dass ein Satz immer auf mehr als eine Weise übersetzt werden kann.
Die Ergebnisse waren ermutigend. Die Untersuchung zeigte, dass das DeepSubQE-Modell in mehr als 91 % der Fälle richtig lag. Bei längeren Sätzen lag die Erfolgsquote sogar noch höher. Der zukünftige Erfolg wird von einer Steigerung des System-Workloads und der Anzahl der Ausgabesprachen abhängen.
ESPnet-ST: Verbesserung von Speech-To-Speech-Übersetzungssystemen
ESPnet-ST ist ein quelloffenes Software-Toolkit, das Entwicklern beim „schnellen Aufbau von Speech-To-Speech-Übersetzungssystemen innerhalb eines einzigen Frameworks“ dienen soll. Die Software erfuhr viel Beachtung auf Github, einem Software-Repository für Entwickler, die dort Code offenlegen, um gemeinsam an der Verbesserung von Softwaresystemen zu arbeiten.
Ein „Toolkit“ ist eine Software-Bibliothek aus Code-„Schnipseln“ (Snippets), die Entwickler in eigenen Programmen nutzen können. Ursprünglich enthielt ESPnet-ST Code für die automatische Spracherkennung (Automatic Speech Recognition, ASR) und Text-To-Speech (TTS), mittlerweile umfasst die Software aber auch Code für den Aufbau von MT-Systemen. Somit handelt es sich um das erste Toolkit „mit ASR-, MT-, TTS- und ST-Programmen und -Modellen in ein und derselben Codebasis“. Zur Erläuterung: MT und ST stehen für „Machine Translation“ und „Speech Translation“, also maschinelle Übersetzung bzw. Sprachübersetzung. Die Forscher und Entwickler sind zuversichtlich, dass ESPnet-ST anderen dabei helfen kann, eine weitere Hürde in der verbalen Kommunikation zu nehmen.
KantanSkynet-App für Zendesk: Sprachwechsel im Kundenservice
Unternehmen mit starker Markenbotschaft setzen immer stärker auf die Schaffung nachhaltiger Kundenerlebnisse im Kundensupport. Immer wieder belegen Untersuchungen die verheerenden wirtschaftlichen Konsequenzen eines mangelhaften Kundenservices: Ein Bericht spricht gar von rund 41 Milliarden US-Dollar Verlust pro Jahr alleine bei US-Unternehmen, deren Kundenservice einen schlechten Eindruck hinterlassen hat.
Mehr und mehr Unternehmen setzen auf technische Lösungen wie Chatbots, um schnelle Unterstützung leisten zu können. Es ist unverzichtbar für die nahtlose Kommunikation in unserer globalisierten Wirtschaft, schnell zwischen den Sprachen wechseln zu können. Genau das ist der Zweck von KantanSkynet, einer neuen App für die beliebte Support-, Vertriebs- und Kundenservice-Plattform Zendesk.
Über diese App können Serviceteams mit Kunden in deren Muttersprachen kommunizieren. Die Antwort des Kundenservice-Mitarbeiters wird maschinell in die Sprache des Kunden übersetzt und dann von einem Zendesk-Editor nachbearbeitet. Der Kunde sieht nur die übersetzte Version der Antwort. Auf dieselbe Weise werden Anfragen und Antworten der Kunden für die Kundenservice-Mitarbeiter übersetzt.
AnyCount 4D: Mengenermittlung für rentablere Übersetzungen
AnyCount 4D ist ein neues Tool zur Mengenermittlung, das Übersetzern durch genauere Zählung dabei helfen soll, rentabler zu arbeiten. Es handelt sich um ein eigenständiges Programm, das mit vielen verschiedenen Dateitypen kompatibel ist, darunter PDFs, Textdateien, Bilder und Untertitel.
Laut den Entwicklern ist die Wortzählung in gängigen Programmen wie Word oder Excel nicht präzise genug. Oft werden Wörter und Zeichen nicht komplett berücksichtigt. Das kostet Übersetzer bares Geld Das Tool kann im Monats-, Quartals- oder Jahresabonnement genutzt werden.
Streaming und Neuübersetzung: Verbesserung von Online-Meetings
Das Coronavirus hat die Art von Meetings radikal verändert – zumindest bis auf Weiteres. Plattformen für virtuelle Meetings wie Teams, Zoom, LogMeIn und Google Meet sind beliebt wie nie. Die verstärkte Konkurrenz in diesem Markt bringt es mit sich, dass die Implementierung neuer Funktionen Vorteile verschafft.
Zu den Funktionen, an deren Einführung die Anbieter derzeit arbeiten, zählen die maschinelle Übersetzung und automatische Transkription. Ziel ist es, das Erlebnis der internationalen Meeting-Teilnehmer zu verbessern. Eine vor Kurzem von Google veröffentlichte Untersuchung mit dem Titel „Re-translation versus Streaming for Simultaneous Translation“ beschäftigt sich mit der Methode der Neuübersetzung bzw. des Streamings im Bereich der Simultanübersetzung.
Die Streaming-Übersetzung ist bisher die am häufigsten angewendete Methode. Ihr größter Nachteil ist allerdings die Tatsache, dass der übersetzte Text während der Anzeige unveränderlich ist (ähnlich wie Untertitel). Die andere Methode, Neuübersetzung, birgt die Möglichkeit, Text auch während der Ausstrahlung zu ändern.
Die Forscher analysierten die Sprachpaare Deutsch > Englisch und Englisch > Französisch, um herauszufinden, welche Methode sich durch höhere Qualität und geringere Latenz auszeichnet. Die Latenz, also die Verzögerung zwischen dem gesprochenen und übersetzten Content, ist entscheidend für das Benutzungserlebnis. Die Untersuchung ergab Vorteile der Neuübersetzung in beiden Kategorien.
Die Neuübersetzung bot bessere Qualität, weil sie „durch die Wiederholung und Verbesserung von Übersetzungen ein ‚hochwertiges Endprodukt‘ zustande bringt“. Die geringere Latenz wird begründet, „weil ‚stets eine Übersetzung des gesamten Ausgangspräfixes versucht wird‘“. Forscher fanden ebenfalls heraus, dass die Neuübersetzung „genauso gut oder besser als hochmoderne Streaming-Systeme“ angenommen wurde, wenn die Anzahl der Änderungen durch Neuübersetzungen beschränkt wurde
Wir sind gespannt, wie Anbieter von Services für virtuelle Meetings in den kommenden Monaten neue Übersetzungsfunktionen implementieren werden. Schließlich sind das Homeoffice und Remote Working auch nach der COVID-19-Pandemie nicht mehr wegzudenken.
Die Welt passt sich den Umständen an und der Ruf nach effizienten Übersetzungstechnologien wird immer lauter. Darüber hinaus hat die COVID-19-Pandemie grundlegende gesellschaftliche Veränderungen angestoßen, die nach neuen Technologien verlangen. Immer mehr Menschen arbeiten von daheim oder unterwegs und konsumieren Content über ihre bevorzugten Streamingdienste. Die neuesten Entwicklungen in der Übersetzungstechnologie stehen allem Anschein nach bereit, um die damit einhergehenden Anforderungen zu erfüllen.