Das Muttersprachler-Prinzip

Die Frage, ob ein Übersetzer Muttersprachler ist, resultiert aus der Erfahrung, dass die meisten Menschen Sprache intuitiv benutzen. Oft weiß man nicht so genau, warum etwas auf eine bestimmte Art und Weise formuliert wird, man spürt aber schnell, wenn ein anderer ein „falsches Wort“ oder eine „merkwürdige Formulierung“ verwendet. Selbst Übersetzer, die sich durch ihre Ausbildung intensiv mit Sprachen beschäftigt haben, zudem ihr tägliches Brot damit verdienen und von denen man vermutet, dass sie allgemein über sprachliches Talent verfügen, können dieses Fremdeln bei Formulierungen in der Fremdsprache nicht immer vermeiden.

Dabei lockt einen der Begriff Muttersprache jedoch auf eine falsche Fährte. Eigentlich geht es um die Sprache, die Kinder als erstes lernen und in der sie in der Folge die meiste Erfahrung sammeln. Dies ist zwar oft auch die Sprache der Mutter oder allgemeiner der Eltern, in der heutigen Zeit gibt es aber eine Vielzahl von Umständen die diesen direkten Bezug in Frage stellen. So wachsen viele Kinder nicht mehr in ihren Heimatländern auf und stehen somit im Zwiespalt zwischen der Sprache ihrer Eltern und der Sprache ihrer Umgebung. Die für die Eltern zunächst fremde Sprache ist bei diesen Kindern durch Medien, soziale Kontakte und Schule oft präsenter als die im Elternhaus gesprochene Sprache.

In Zeiten der Globalisierung wachsen Kinder oft auch in Familien auf, in denen ihre Eltern unterschiedliche Sprachen sprechen, die vielleicht nicht einmal der Sprache des Landes entsprechen, in dem die Familie wohnt.

Man spricht daher heutzutage eher von der Erstsprache oder dem ersten Spracherwerb. Hierbei werden weitere Kriterien wie die Schulbildung, die berufliche Ausbildung und die im Studium angewandten Sprachen berücksichtigt. Besonders für Übersetzer von Gebrauchstexten, bei denen eine adäquate Terminologieverwendung in der Zielsprache erwartet wird, sind zudem die Erfahrungen im Sachgebiet der Übersetzung wichtiger als diejenigen aus der Schulzeit. In der ISO 17100 wird daher nicht direkt auf die Muttersprache abgestellt, sondern es werden angemessene Kenntnisse sowohl in der Ausgangs- als auch in der Zielsprache gefordert. Diese Anforderungen werden zumeist von denjenigen Übersetzern am besten erfüllt, bei denen die Erstsprache auch die Muttersprache ist und die zusätzlich die wichtigen Erfahrungen im Sachgebiet in der jeweiligen Sprache erlangt haben.

Die Muttersprache, also eigentlich die Erstsprache, ist ein wichtiges Kriterium für die Auswahl von Übersetzern, muss jedoch differenziert betrachtet und durch weitere Qualifikationskriterien ergänzt werden. Diese Kriterien sowie deren Erfüllung dokumentieren wir für jeden einzelnen Übersetzer in Übersetzerprofilen, die wiederum die Grundlage für die Auswahl der von uns für einen bestimmten Auftrag eingesetzten Übersetzer darstellen.